Der arme Zimmermann

In Betlehem lebte einst ein armer Zimmermann namens Josoe. Er hatte eine Frau und fünf Kinder, die er recht und schlecht ernähren konnte. Es gab nicht viel Arbeit für den armen Zimmermann, denn die Menschen im Ort waren selbst arm. Nur ein paar reiche Bauern gab es, die sich die Lebensmittel, die sie produzierten, teuer bezahlen ließen. Die Bauern lieferten Milch, Mehl, Eier und Früchte zum täglichen Markt und wer es sich leisten konnte, holte sich die Waren von dort.

Nur ab und zu bestellte ein Bauer bei Josoe einen Holztisch, oder eine Bank, manchmal auch eine Krippe, in die man das Stroh für die Kälber schüttete.

Wenn Josoe wieder etwas Geld eingenommen hatte, ging er mit seiner Frau auf den Markt und kaufte beim reichen Bauern Jaromin Brot und andere notwendige Lebensmittel, um den Kindern damit wenigstens den ärgsten Hunger stillen zu können.

Manchmal musste Josoe die Frau des Bauern bitten, Ware anzuschreiben, da momentan kein Geld vorhanden war. Jaromins Frau, die stets den Markstand des Gatten betreute, war keine schlechte Frau. Sie hatte sich trotz der Geldsucht ihres Mannes noch irgendwo im hintersten Teil ihres Herzens ein kleines Stück Güte bewahrt. Und so gab sie ab und zu dem armen Josoe einen Laib Brot und schrieb die Schuld an. Josoe musste jedoch versprechen, ihrem Mann, dem Bauern nicht davon zu sagen, da sie sonst große Schwierigkeiten haben würde.

Mit der Zeit verdiente der arme Zimmermann immer weniger und die Schuld an die Bäuerin wurde immer größer und größer…

Der Bauer Jaromin kam eines Tages von einer Reise, auf der er Geld bei seinen Schuldnern eingetrieben hatte, zurück und fand während der Suche nach einem Schuldschein in einem Buch versteckt den Zettel, auf dem seine Frau die Schulden des Zimmermann Josoe aufgeschrieben hatte. Nachdem er sein Weib wütend zur Rede gestellt hatte, eilte er voll Zorn in die Hütte des Zimmermanns und forderte die Summe, die er ihm schuldete. Josoe hatte kein Geld. Da ließ der erboste Bauer durch seine Knechte alle Möbelstücke aus der Hütte des armen Zimmermanns räumen und nahm ihm auch die Hobelbank aus seiner kleinen Werkstatt weg. Eine Krippe, die Josoe für das Kalb eines Nachbarn fertiggestellt hatte, nahmen die Knechte ebenfalls mit.

Weinend stand nun die arme Familie in der leeren Hütte.

Die Gegenstände, die man aus Josoes Haus geholt hatte, ließ der hartherzige Bauer in sein Haus bringen, die Krippe wurde in den Stall gebracht und in eine Ecke gestellt.

Am selben Abend klopfte es am Tor des Bauern. Wer ist draußen‘, rief er. Als er hörte, daß ein armer Mann und eine Frau, die ein Kind erwartete um Unterkunft baten, rief er schroff ,verschwindet von meiner Türe, ihr Bettelgesindel!“

Die Frau des Bauern Jaromin hatte die lauten Worte ihres Mannes vernommen und war ebenfalls zur Hoftüre gekommen. Als sie hörte, dass die Frau, deren Mann um Einlass gebeten hatte, ein Kind erwartete, bat sie ihren Mann: „Lass die armen Leute doch wenigstens im Stall neben dem Haus übernachten, guter Mann!“

„Meinetwegen“, brummte der Bauer und ging ins Haus zurück.

Die Bäuerin öffnete nun das Tor und sah vor sich einen großen, bärtigen Mann, neben dem eine junge Frau, eingehüllt in einen langen Mantel stand. Der Mann führte einen alten Esel an der Leine.

„Kommt mit mir“, sagte die Bäuerin und führte das Paar in den Stall, der hinter dem großen Gehöft stand. Als sie vor der Stalltür standen, wunderte sich die Bäuerin über das seltsame Leuchten, das aus dem Fenster neben der Tür kam. Hatte jemand eine Öllampe brennen lassen? Als sie die Tür des Stalles öffnete, prallte sie zurück. Aus einer Ecke des Raumes kam ein unbeschreiblich schönes Leuchten. Es stammte von der kleinen Krippe, die der Bauer dem armen Zimmermann Josoe weggenommen hatte. Sie leuchtete heller als pures Gold. Außer sich vor Schreck lief die Bäuerin nun ins Gehöft, um ihren Mann zu holen.

Als der Bauer das Wunder sah, wusste er nicht, was er denken sollte. Ein eigenartiges Schuldgefühl überkam ihn und er sandte einen Knecht zu José dem Zimmermann.

Als José in den Stall gebracht wurde und die leuchtende Krippe sah, war er so erschrocken , daβ er auf die Knie sank und seine Hände faltete. Er hatte die Krippe doch nur aus Zedernholz und nicht aus strahlendem Gold gemacht!

Hilflos sah sich der Zimmermann nun im Raume um und bemerkte nun auch die beiden Menschen, die um Quartier gebeten hatten.

Die Frau, die Maria hieß, ging auf den knieenden Zimmermann zu und berührte sein Kopfhaar mit ihren zarten Händen. Dann ging sie zu ihrem Mann, der sich Josef nannte, zurück.

Währenddessen hatte sich das Wunder herumgesprochen und viele Menschen kamen, um Josoes Krippe bewundern zu können.

Als in der Nacht der Heiland geboren wurde, legte die Bäuerin, die Maria bei der Entbindung beigestanden war, das Kind in die Krippe, die Josoe gebaut hatte.

Von diesem Ereignis an, wurde Josoe mit Aufträgen überhäuft. Bald konnte er sich eine bessere Hütte bauen und auch seine Werkstatt wurde von Jahr zu Jahr größter. Die Familie musste nicht mehr hungern.

Jeder Bauer in der Gegend legte es sich zur Ehre an, ein Möbelstück aus Josoes Werkstatt zu besitzen und bald stand in allen Ställen eine Krippe aus Josoes Hand.

Doch keine dieser Krippen hat jemals geleuchtet, wie die Krippe, in die das Jesuskind gelegt worden war…….